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anhaltende Gegenwart | anne katrin stork    
 



Künstlerhaus Lauenburg


anhaltende Gegenwart | Anne Katrin Stork
Skulptur, Zeichnung und Fotografie | 27.01. - 20.02.2011

Anne Katrin Stork zeigt in ihrer Ausstellung im Künstlerhaus Lauenburg Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien, die in einer rätselhaften Gesamtinstallation vom Menschen, Landschaften und Behausungen erzählen. Die verschiedenen Bildelemente laden zu einem Rundgang ein, in eine irreale Welt, die sich mal geheimnisvoll, mal distanziert abstrakt, aus einzelnen Puzzlestücken zusammensetzt. Die einzelnen Werke berühren verschiedene Ebenen der Wahrnehmung und Erzählung. Sie präsentieren sich gleichsam autark und beziehungssuchend: Wo verläuft die tatsächliche Grenze zwischen dem Inneren und Äusseren? Ihnen gemeinsam ist die Stille, die sie ausstrahlen und die Konzentration auf die Gegenwart als fliessenden Zustand. Es werden Orte beschrieben, die nicht im klassischem Sinne einladend sind, und sich doch als Metaphern für die Widersprüchlichkeit und Intensität des Seins lesen lassen.

Auf sehr unterschiedliche Weise bildet Anne Katrin Stork Widersprüchlichkeiten menschlicher Sehnsüchte und Handlungsmuster ab. Die reale Welt wird seziert, zerstückelt und neu wieder zusammengesetzt, so entsteht ein Kommentar und gleichzeitig die Vision eines neuen, mitunter absurden Universums. Konträre Identitäten finden oftmals in ein und derselben Arbeit ihre Entsprechung, wobei der wesenhafte Begriff von Skulptur eine Inszenierung und Bezugnahme auf seine Umgebung nicht ausschliesst. Zu den plastischen Arbeiten kommen andere Bildmedien, wie die Fotografie und Zeichnung, welche unterschiedliche Ebenen der Wahrnehmung und des Raumes kennzeichnen und die Frage nach der Konstruktion von Realität und Illusion berühren. Diese überraschende Vielschichtigkeit der Perspektiven ist charakteristisch für das Werk der Künstlerin Anne Katrin Stork. Sie hat nach einer Steinbildhauerausbildung Bildhauerei an der Hochschule für Gestaltung in Bielefeld studiert und präsentierte in zahlreichen internationalen Ausstellungen ihre Werke.

Künstlerhaus Lauenburg
Elbstraße 54
21481 Lauenburg/Elbe
www.kuenstlerhaus-lauenburg.de

 

 

 

 

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Eröffnungsrede zur Ausstellung anhaltende Gegenwartvon Anne Katrin Stork im Künstlerhaus Lauenburg vom 27.Januar 2011 // Kulturwissenschaftler Timon Kuff

Liebe Gäste, liebe Freunde des Künstlerhauses Lauenburg, liebe Frau Stork,

ich freue mich, Sie hier, trockenen Fußes, zur Ausstellung „anhaltende Gegenwart“ mit Werken der Künstlerin Anne Katrin Stork, begrüßen zu dürfen. Das die bedrohlichen steigenden Wassermassen um ein Haar die Planung der Ausstellung über den Haufen gespült hätte, erscheint mir fast wie ein ungeplantes, sicher auch ungewolltes aber in gewisser Weise komplementäres Ereignis zu der spannenden künstlerischen Installation, welche Frau Stork hier im Künstlerhaus realisiert hat. Denn ein zentrales Thema was sich in früheren Werken und auch hier wieder findet, ist die Wahrnehmung von Natur. Perspektivisch gebrochen und durch eine sehr spezielle Materialästhetik variiert, wird der experimentelle Versuch unternommen bestimmte Möglichkeiten von Naturwahrnehmung anzudeuten. Das bewegt sich zwischen realistischer oder zumindest realistisch anmutender Darstellung und einer abstrakten künstlerischen Sprache. Fast, so scheint es, habe die Elbe ihren brachialen Beitrag zu diesem virtuellen Erlebnisraum, der mit der Distanz und Nähe von Anschauung spielt, leisten wollen. Trotzdem gut, dass sie sich allmählich wieder in ihr Bett zurückzieht und wir die ungeteilte Aufmerksamkeit dem Werk der Künstlerin widmen können.

Die in Berlin lebende und arbeitende Künstlerin ist bereits rund um den Globus -  Japan, Mexiko und Kolumbien sind einige Stationen - tätig geworden. Anne Katrin Stork hat an diesen Orten auch fotografiert, Materialien gefunden und gesammelt und diese Dinge in  räumlichen Installationen auf raffinierte Weise kombiniert und in Dialog gebracht.

In der Beschäftigung und Begegnung mit Natur erschafft sie gewissermaßen eine zweite, künstliche Natur, ein „Panorama“ ganz eigener Art, in der die subtile Abgrenzung von Formen und Strukturen, auch ihre Nachbildung in verschiedenen Medien zu einem eigenartigen und spannungsvollen Ensemble kombiniert werden. Diese teilweise fast alchimistische Kunst der Trennung, Sonderung und Rekonfiguration von Stoffen synthetisiert etwas Neues, etwas das zwischen Natur und Kultur liegt. Etwas Nichtgefälliges, was die Auseinandersetzung erfordert, aber auch die Möglichkeit offen legt, über beide Bereiche, die für uns Zivilisationsmenschen ja eigentlich nie ungetrennt wahrnehmbar sind, neu nachzudenken.

Auf der Materialebene artikuliert sich ein kritisches Verständnis der Künstlerin für die disparaten Möglichkeiten der von ihr verwendeten Medien: Fotografie und Keramik, Bronzeguss und Skulpturen aus industriellem Müll werden von ihr kontextuell miteinander in einen vielstimmigen Dialog gebracht. Das ist für den Betrachter oft nicht einfach nachzuvollziehen; es geht gegen bestimmte, teilweise unbewusst verinnerlichte Sehgewohnheiten und Rezeptionshaltungen, aber es ist ein konsequenter Weg, um einer obsolet gewordenen, allzu idealistischen Ästhetik „aus einem Guss“ zu entkommen. Brüche und Nahtstellen sind eingebaut und werden zu einem wichtigen Moment in der situativen Wahrnehmung der poetischen Rauminstallationen von Anne Katrin Stork.

Selbst Fundstücke und Plastiken aus Müll erhalten eine Dignität, die in ihrem Vorleben als industrielle Massenprodukte nicht mit eingeplant war. An diesen Schnittstellen, wo materielle Elemente durch Schnürung, Packung und Neukonstruktion mitunter fast wieder die Anmutung eines natürliches, gewachsenen Dings erhalten, bricht die Täuschung auf, der wir uns täglich hingeben, wenn wir uns sicher glauben in unserer durch Laptop, Handy und Autos abgeschirmten Welt. Alle diese Dinge verfallen, werden zu Schrott und verlieren Ihren Glanz den uns eine Rundum-glücklich-Werbewelt ständig vorgaukelt. Die wirklich Aura der Dinge finden wir dann an den Rändern wieder, an Orten die mit einem Tabu belegt sind: Müllkippen und Ruderalflächen etwa sind Orte, wo die Geschichtlichkeit und Halbwertszeit der Dinge objektiv wahrzunehmen sind. Aber wer geht dort schon hin. Es findet in der Arbeit von Anne Katrin Stork etwas statt, dass ich hilfsweise als aktive, reflexive Romantik bezeichnen möchte. Es gibt eine Reihe fotografischer Arbeiten, in denen die Undurchdringlichkeit, Undurchschaubarkeit sich zu einer Idee von Unendlichkeit weiterentwickelt. Und da gibt es einen Zusammenhang mit den plastischen Werkstücken: Amorphe und fließende Zeichen bedecken die Keramiken und zeigen weder Ende noch Anfang.

Vom „Kosmogonischen Eros“ sprach im ersten Jahrzehnt des 20.Jahrhundert der Philosoph Ludwig Klages und umschrieb damit metaphysisch eine Liebe zu den Erscheinungsformen alles Lebendigen. Theodor Lessing übersetzte diese Theorie vom Eros der Ferne einmal so: „Der mit Fernschau begnadete Erotiker kann, gleich den Zugvögeln, jede Raumferne als Nähe erleben, weil er diese Nähe ist.“ Ohne auf die Verwicklungen von Subjekt und Objekt an dieser Stelle näher eingehen zu können, besticht in die Kunst von Anne Katrin Stork die Konfrontation von Elementen, die wie kleine Mikrokosmen wirken und den Fotografien auf eine besondere Weise: Mal ist das Auge nah dran, man kann versinken in der Betrachtung einer naturhaft zerfließenden Glasur auf einer Keramik, dann wieder muss man sich entscheiden können ob der Blick auf das Foto eine pflanzliche Makrostruktur zeigt oder doch das Luftbild oder die Satellitenaufnahme eines fernen Dschungels. Aber müssen wir uns entscheiden? Ich habe die Vermutung, dass die Künstlerin uns mit dieser Setzung vielmehr zeigen möchte, wo überall verwandtschaftliche Bezüge auftauchen; das der Mikrokosmos eines Blattes eine Strukturähnlichkeit mit einem Flussdelta haben kann, ja vielleicht sogar mit fernsten Galaxien in der Milchstrasse. (Sie sehen, der kosmogonische Eros kann ähnlich mitreißend sein wie die Elbe bei Hochwasser.)

Ich habe eingangs den Begriff des Panoramas gebraucht. Panoramen waren ja bis ins 19.Jahrhundert jene Orte, an den – lange vor der Erfindung des Kinos – eine möglichst alle Sinne ansprechende visuelle Inszenierung zur Unterhaltung und Belehrung der Menschen versucht wurde. Vielleicht lassen sich einige Rauminstallationen von Anne Katrin Stork besser mit einer spezielleren Präsentationsform, dem Diorama nämlich, vergleichen: In diesen Dioramen wurde mit suggestiver Geste ein Stück Welt eingesperrt. In Museen begegnen sie uns, diese nachgebauten Lebensräume mit ausgestopften Tieren oder nachgestellten Szenen weltbewegender Ereignisse. Die Schaubühnen welche Anne Katrin Stork konstruiert sind ungleich fragiler und – sie funktionieren genau andersherum: sie schließen dem Betrachter ein Stück Welt auf. Das wird nicht erklärt, das erklärt sich auch nicht von allein, sondern es fordert in einem ganzheitlichen  Sinne die sensualen, emotionalen und intellektuellen Potentiale des Menschen heraus. So funktionieren auch die hier gezeigten farbig glasierten Torsi als existentielle Figurationen, die entweder dazu einladen sich in der Betrachtung ihrer rauen Schönheit zu verlieren oder die dazu verführen über die wie verletzt wirkenden Körper nachzudenken. Und dann denken wir auch über uns selbst nach. Und darüber, das wir in einer Welt leben, die ständig Beschädigungen erfährt, die schön und gefährdet ist. © Timon Kuff 2011

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